Workshop: GENDER MEDIZIN UND FRAUENGESUNDHEIT IN DER PRAXIS

Im Gespräch mit der Generalsekretärin der kfbö, Mag.a Sonja Schromm, zeigen sie blinde Flecken in der Versorgung auf, benennen strukturelle Probleme – und ermutigen Frauen, ihre Stimme zu erheben, damit ihre Bedürfnisse in Forschung und Praxis endlich den Platz bekommen, den sie verdienen.
Was sind zentrale Unterschiede in der medizinischen Versorgung von Frauen und Männern?
Die Schulmedizin wurde von Männern für Männer erarbeitete. Als Frauen auf ihre Bedürfnisse hinwiesen, hieß es "da wird schon kein großer Unterschied sein", so wurden Medikamente meist nur an Männern getestet. Vieles wurde auch mit Psyche erklärt z.B die seit Jahrzehnten bekannte höhere Zahl von Unverträglichkeiten und Nebenwirkungen bei Medikamenten bei Frauen. Heute weiß man, das liegt hauptsächlich am Immunsystem! Es ist teuer und aufwendig, alle medizinischen Angebote auch für Frauen zu untersuchen, aber unverzichtbar.
Wo erleben Sie im Alltag noch blinde Flecken in der medizinischen Praxis, wenn es um Frauen geht?
Frauen haben im Unterschied zu Männern, deren Hormonspiegel ziemlich konstant ist und nur langsam abnimmt, ständig wechselnde Hormonspiegel von Pubertät, über Zyklus, Schwangerschaft, Geburt bis einschließlich in der Menopause. Dazu kommt noch hormonhaltige Kontrazeptiva, Hormonersatztherapie und andere Hormongaben. Obwohl schon 1993 von der FDA (Food and Drug Administration) der amerikanischen Zulassungsbehörde, die Berücksichtigung der Hormonspiegel verlangt wurde, geschieht das bis heute nicht .Patientinnen berichte immer wieder, dass sie im Zyklus unterschiedliche Medikamentendosierungen brauchen.
Zu Medikamententestung auch für Frauen, war meine Hoffnung, das werden wir schon noch erkämpfen können und dann ist der Punkt erledigt. Das ist auch gelungen, aber Medikamententestungen finden in den Industrieländern statt mit ihren Patient:innen, also gibt es nur Daten für den globalen Norden! Was ist mit dem Rest, dem Großteil der Weltbevölkerung? Wir erinnern uns "da wird schon kein großer Unterschied sein"
Wie kann Gender-Medizin dazu beitragen, dass Frauen besser gehört und behandelt werden?
Frauen müssen das fordern, über Medien, Parteien etc. Wir leben noch immer in einer Gesellschaft, die Frauen nicht volle Chancengleichheit gibt, warum sollte es in der Medizin anders sein! Es gibt zwischenzeitlich sehr viel Forschung auf diesem Gebiet, aber es kommt sehr langsam in die medizinischen Angebote wie Beipackzettel, Guidelines der Fachgesellschaften etc. Es gibt zwar inzwischen gegenderte Gesundheitsdaten, aber keine zu Diversity Gruppen wie z.B. Migrantinnen, Flüchtlinge, Sexualität!