Am Anfang stand Korea. Margit Pissarek und Marianne Stöger: die ersten Kooperationspartnerinnen der Aktion Familienfasttag
Margit Pissarek und Marianne Stöger, Angehörige des Säkularinstituts Ancillae Christi Regis, waren Ende der 50-Jahre des 20. Jahrhunderts die ersten Kooperationspartnerinnen der Aktion Familienfasttag. Auf der südkoreanischen Insel Sorok arbeiteten sie mit Menschen, die an Morbus Hansen bzw. "Lepra" erkrankt waren.
Die Vorsitzende der kfb Innsbruck, Helene Daxecker-Okon, erinnert in einem Text in der Webausstellung des "Hauses der Geschichte Österreich" an die beiden "Heldinnen" (https://www.hdgoe.at/category/Web-Ausstellung):
Die „Engel mit den blauen Augen“
Zwei Tirolerinnen beeindrucken mich: Margit Pissarek (*1935) und Marianne Stöger (*1934). Beide Frauen gehören dem Säkularinstitut Ancillae Christi Regis an, einer kleinen katholischen Gemeinschaft. Heute wohnen sie wieder in Tirol, nachdem sie über vierzig Jahre in Südkorea verbrachten. Dort lebten die Krankenpflegerinnen auf der Insel Sorokdo, wo sie zwangsübersiedelte Leprakranke pflegten. Die Zustände auf der Insel mussten furchtbar gewesen sein. Die Krankenschwestern verbesserten die Pflege der Kranken und sorgten sich um die „Aussätzigen“, indem sie ihnen vorbehaltlosen Respekt entgegenbrachten. Die Erfahrung der Kranken, mit bloßen Händen angefasst und als gleichwertige Menschen gesehen zu werden, veränderte den Blick auf die Krankheit. Die höhere Qualität der Pflege half außerdem, die Lepra fast auszurotten. In Südkorea sind die Tirolerinnen weithin bekannt, sogar Straßen sind nach ihnen benannt. Eine koreanische Initiative schlug die „Engel mit den blauen Augen“ für den Friedensnobelpreis vor, Unterstützung kam dafür nun auch aus Österreich. Mich berührt ihr Mut, sich in jungen Jahren so kompromisslos für ein Leben in der Nachfolge Jesu Christi zu entscheiden. Mich macht sprachlos, wie viel Stärke und Kraft zur Veränderung ihrer Spiritualität entspringt.
Weitere Infos zur Geschichte von Margit Pissarek und Marianne Stöger im Zusammenhang mit der Katholischen Frauenbewegung Österreichs und der Aktion Familienfasttag finden sich in folgenden Presseaussendungen der kfbö vom 16.8.2016 und 17.4.2018:
kfbö-Delegation nimmt in Südkorea hohe Auszeichnung für österreichische Ordensschwestern entgegen
„Korea-Hilfe“ als Startprojekt der Aktion Familienfasttag der Katholischen Frauenbewegung Österreichs war wichtiger Baustein für die Entwicklung einer überaus erfolgreichen Arbeit der Ordensschwestern auf „Lepra-Insel“
[Wien, 19.8.2016, PA] Eine Delegation aus Vorsitz und Geschäftsführung der Katholischen Frauenbewegung Österreichs hat in Südkorea stellvertretend für die beiden österreichischen Ordensschwestern Marianne Stöger und Margit Pissarek den „Manhae-Preis für soziales Handeln“ entgegengenommen. Mit dem Preis, der als hohe Auszeichnung Südkoreas in unterschiedlichen Kategorien bisher an Persönlichkeiten wie Nelson Mandela, den Dalai Lama, Fethullah Gülen oder Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi vergeben wurde, würdigte das Land den Dienst der beiden Christkönigschwestern an den Kranken auf der „Lepra-Insel“ Sorok. Während 43 Jahren gelang es den zwei Tirolerinnen, umfassende Einrichtungen zu initiieren, die die die Verbreitung von Lepra bzw. Morbus Hansen in Südkorea nahezu zum Stillstand gebracht haben. Die Preisverleihung am 12. August, die von den seit 2005 wieder in Österreich lebenden Ordensfrauen selbst nicht wahrgenommen werden konnte, war verbunden mit der Würdigung der langjährigen Unterstützung des Hilfsprojekts auf Sorok durch die Aktion Familienfasttag der Katholischen Frauenbewegung Österreichs, die 1958 mit dem Schwerpunkt auf Südkorea gestartet worden war. Die seinerzeitige Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreichs und Wegbereiterin des entwicklungspolitischen Engagements der kfbö, Herta Pammer, stand in engem Kontakt mit Marianne Stöger und Margit Pissarek.
„Wir waren und sind überwältigt von der überaus hohen Wertschätzung und Dankbarkeit, die Marianne Stöger und Margit Pissarek in Südkorea entgegengebracht werden“, berichtet Eva Oberhauser. Oberhauser war als stellvertretende Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung und Zuständige für die Agenden der Aktion Familienfasttag gemeinsam mit der zweiten stellvertretenden Vorsitzenden Andrea Ederer sowie Maria Hauer, Mitglied der Geschäftsführung, von der kfbö delegiert worden, die Ehrung für Stöger und Pissarek entgegenzunehmen. „Ich war in Kalkutta und habe das Werk von Mutter Teresa kennengelernt – das, was ich auf Sorok gesehen habe, kommt dem recht nahe“, so Oberhauser, die mit ihren Kolleginnen auf Einladung des Gouverneurs der Provinz Goheung-Gun gereist war.
Kultstatus in Südkorea
In Südkorea war die Preisverleihung auf hohes mediales Interesse gestoßen, die größte Tageszeitung des Landes wie auch elektronische Medien haben berichtet. „Marianne Stöger und Margit Pissarek genießen regelrechten Kultstatus. Man kann die Häuser, die die beiden errichten ließen, besichtigen, sie wurden zu nationalen Kulturgütern erklärt, und ein Museum informiert über die Arbeit der Schwestern“, berichtet Oberhauser.
Einsatz im Namen der Menschenwürde
Als Stöger und Pissarek 1962 im Alter von 27 bzw. 28 Jahren nach Sorok kamen, trafen sie auf nackte Not. Nach dem Ende der 35-jährigen japanischer Besatzungszeit, während der an Morbus Hansen Erkrankte auf die Insel verbannt worden waren, hatte sich nichts an der bestehenden Ächtung und Verbannung geändert. „Die Kranken hatten unterwürfig zu sein, Schläge standen an der Tagesordnung, auch Zwangsabtreibungen und Sterilisationen. Es brauchte Jahrzehnte, um das zu ändern“, erklärt Marianne Stöger. Stöger und Pissarek ging es darum, den Kranken ihre Menschenwürde zurückzugeben. Das ließ sie mit bloßen Händen zupacken, Medikamenten- und Geld-Sammelaktionen starten, um ein Haus für die Kranken zu errichten, einen Krankentrakt für Tuberkulose-PatientInnen anzuschließen, einen weiteren für geistig Behinderte.
Von der „Lepra-Station“ zur international beachteten Pflege- und Forschungseinrichtung
Die „Lepra-Station“ entwickelte sich schließlich zu einer weltweit renommierten Pflege- und Forschungseinrichtung, die jüngst das „World Hansen´s Disease Forum“ mit rund 30 nationalen Delegationen aus aller Welt ausrichtete. Die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen reicht inzwischen nahe an Null, das Durchschnittsalter der verbliebenen 539 Kranken auf Sorok beträgt gegenwärtig 75 Jahre.
Stöger und Pissarek für Friedensnobelpreis vorgeschlagen
Bereits in den vergangenen Jahren haben Marianne Stöger und Margit Pissarek zahlreiche Auszeichnungen erhalten. 1996 verlieh ihnen der südkoreanische Ministerpräsident die „Koreanische Nationalmedaille“, 1999 bekamen sie den „Ho-Am-Preis“ der Samsung-Foundation, und am 8. Juni diesen Jahres hat das koreanische Justizministerium den beiden Frauen die Ehrenstaatsbürgerschaft verliehen, eine seltene Würdigung, die zuvor nur einer einzigen weiteren Person zuteil geworden ist. Die Verwaltung von Goheung-Gun hat die beiden Tiroler Ordensfrauen für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen.
Dem Ruf Gottes gefolgt
Marianne Stöger und Margit Pissarek haben die Einladung, ihren Lebensabend gut versorgt in Südkorea zu verbringen, ausgeschlagen. Für Stöger ist das, was sie 43 Jahre lang getan hat, „nichts Besonderes“. „Ich bin dem Ruf Gottes gefolgt“, erklärt die Tirolerin, und sie würde es wieder tun: „Unter den gleichen Bedingungen: wenn man versteht und erkennt, dass Jesus in uns lebt, dann kann man jeden Menschen lieben“. Mit großer Genugtuung erfüllte Stöger der Beschluss der südkoreanischen Regierung im Mai 2015, ehemalige Morbus Hansen-Erkrankte, die Opfer von Abtreibung und Sterilisation geworden waren, zu entschädigen.
Zuwendungen der Aktion Familienfasttag unverzichtbar
Die Unterstützung des Familienfasttages der Katholischen Frauenbewegung Österreichs würdigt Stöger als wichtigen Baustein dessen, was sie gemeinsam mit Margit Pissarek voranbringen konnte: „Ohne die jahrelangen Zuwendungen seitens des Familienfasttags wären wir nicht so weit gekommen.“ Die stellvertretenden Vorsitzenden der Katholischen Frauenbewegung Österreichs, Eva Oberhauser und Andrea Ederer, bezeichnen ihrerseits die „Korea-Hilfe“ als „eines der nachhaltigsten Projekte der Aktion Familienfasttag“.
Im Mai diesen Jahres war Marianne Stöger zur 100-Jahr-Feier der „Lepra-Station“ in Sorok, im Oktober wird der Pfarrer der katholischen Kirche in Sorok, Kim Yeon-Jun, nach Tirol kommen, um Stöger und Pissarek, die in einem Pflegeheim lebt, zu besuchen. Ein Dokumentarfilm über „die Schwestern der Lepra-Kranken“ ist auf Initiative der katholischen Kirche in Südkorea in Vorbereitung.
Österreichische Ordensschwestern für Friedensnobelpreis vorgeschlagen
Südkorea dankt Marianne Stöger und Margit Pissarek für jahrzehntelangen Einsatz auf „Lepra-Insel“ – Katholische Frauenbewegung Österreichs für finanzielle Starthilfe geehrt
[Wien, 17.4.2018, PA] Südkorea möchte die beiden österreichischen Christkönigschwestern Marianne Stöger und Margit (in Südkorea: Margaret) Pissarek für den Friedensnobelpreis vorschlagen und lädt aus diesem Anlass am 26. April zur Vorführung eines Dokumentarfilms über das Wirken der beiden Frauen auf der „Lepra-Insel“ Sorok in die Wiener Urania. Teilnehmen werden an dem Kino-Event unter anderem der Delegationsleiter des südkoreanischen Nominierungskomitees Hwang-Sik Kim, ehemaliger Premierminister der Republik Südkorea, sowie der ehemalige österreichische Bundespräsident Heinz Fischer, der gemeinsam mit dem Südkoreaner und ehemaligen Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki-moon 2017 das „Ban Ki-moon-Centre for Global Citizens“ in Wien gegründet hat. Die beiden Ordensschwestern werden der Vorführung aus gesundheitlichen Gründen nicht beiwohnen können, sie leben heute, 83 und 84 Jahre alt, in Innsbruck.
Auf der Insel Sorok, auf die Südkorea von 1916 an Morbus Hansen respektive „Lepra“ Erkrankte verbannt hatte, haben die Tirolerinnen über 43 Jahre hinweg die medizinische und soziale Versorgung der Kranken aufgebaut und mit der Gründung zahlreicher Einrichtungen soweit vorangetrieben, dass die Verbreitung von Morbus Hansen in Südkorea nahezu zum Stillstand gebracht werden konnte. 2005 sind Marianne Stöger und Margit Pissarek nach Österreich zurückgekehrt. In Südkorea genießen sie Kultstatus und wurden mehrfach für ihren Einsatz im Zeichen von Menschenwürde und Nächstenliebe geehrt, zuletzt, im August 2016, mit dem „Manhae-Preis für soziales Handeln“.
Geehrt wurde in diesem Zusammenhang auch die Katholische Frauenbewegung Österreichs, eine Abordnung von kfb-Frauen, darunter die zweite Vorsitzende Eva Oberhauser, hat 2016 auf Einladung Südkoreas in Stellvertretung der beiden Schwestern den Preis in Südkorea entgegengenommen. Die „Korea-Hilfe“, das Projekt, mit dem die kfb ihre entwicklungspolitische Tätigkeit vor 60 Jahren gestartet hat, ist der Arbeit der Ordensschwestern auf der Insel Sorok zugutegekommen und hat eine maßgebliche Rolle bei der Entwicklung ihrer Tätigkeiten gespielt. Eva Oberhauser: „Wir haben bei unserem Besuch in Südkorea erlebt, welch überaus große Wertschätzung auch der Katholischen Frauenbewegung Österreichs in diesem Land entgegengebracht wird“.
Die Begründerin der „Aktion Familienfasttag“, die seinerzeitige Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreichs, Herta Pammer, stand in engem Kontakt mit Marianne Stöger und Margit Pissarek und hat die beiden Frauen auch in Südkorea besucht. Die „Aktion Familienfasttag“ der kfb, Österreichs einzige entwicklungspolitische Initiative mit dem Fokus auf Frauen, kooperiert heuer, im 60. Jahr ihres Bestehens, mit mehr als 100 Projektpartnerinnen in Asien, Afrika und Lateinamerika.
Die Vorführung der Film-Dokumentation „Marianne und Margaret“ in der Wiener Urania startet am 26. April um 18.30 Uhr und ist der Öffentlichkeit zugänglich. Im Rahmen der „Internationalen Filmtage Innsbruck“ vom 3. bis 5. Juni wird die Dokumentation auch in der Tiroler Landeshauptstadt gezeigt.