Die Kirche und die tüchtigen Frauen. Online-Vortrag von kfbö-Vorsitzender Angelika Ritter-Grepl am 18.1.2021 im "Forum St. Severin"
Alles hängt mit allem zusammen!
„Darf ich vorstellen, Maria Theresia: König von Ungarn und Böhmen. Sie lernte im Männersattel zu reiten, damit die Krönungszeremonie zum König gültig war. Sie wurde König, nicht Königin.“
Das war eines der Beispiele zu Geschlechterkonstruktion, sex und gender, das Angelika Ritter-Grepl bei ihrem Vortrag „Alles hängt mit allem zusammen! Die Kirche und die tüchtigen Frauen“ bei der diesjährigen Severin-Akademie brachte.
Vortrag von Mag.a Angelika Ritter-Grepl, Vorsitzende der KFBÖ bei der Severin-Akademie des Forum St. Severin am 18.1.2021
Das Thema wählte man, wie der Vorsitzende Paul Grünbacher in seinen Begrüßungsworten erklärte, obwohl die Reaktionen darauf von: „Das kann ich nicht mehr hören, da tut sich ja eh nichts!“, bis: „Man darf nicht aufhören darüber zu reden!“, reichen. Gerade in Zeiten der Pandemie erleben wir, wie Frauen in systemrelevanten Berufen, die Gesellschaft am Laufen halten. Gleichzeitig ist die Gewalt an Frauen weiter hoch und es herrscht eine strukturelle Vorherrschaft von Männern über Frauen. Frauen sind von der Corona-Krise anders und leider ärger betroffen als Männer.
Mag.a Angelika Ritter-Grepl, Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreichs, referierte bei der diesjährigen Online-Severin-Akademie zum Thema "Alles hängt mit allem zusammen! Die Kirche und die tüchtigen Frauen." © Welt der Frauen.
Auf diesen Umstand ging auch die Referentin ein und wies darauf hin, dass eine zentrale Forderung der UN hinsichtlich einer nachhaltigen Transformation der Weltgesellschaft die Besserstellung der Frauen hin zu Geschlechtergerechtigkeit ist. Auch die Kirche meldet sich immer wieder gegen die Diskriminierung der Frauen in Würde und Recht zu Wort und bekennt sich klar zur Gleichberechtigung von Frauen, wie zum Beispiel Papst Franziskus in der Enzyklika Fratelli tutti. Dass der Papst und die Kirche zu Veränderung ermahnen, ist weltpolitisch enorm wichtig und erfüllt den Auftrag des Evangeliums, sich für das Heil in der Welt einzusetzen. Doch wie kann sie in diesen Forderungen ernst genommen werden, wenn innerhalb der Kirche aus der gleichen Würde aller Menschen nicht die gleichen Rechte folgen?
Der Vortrag von Mag. Ritter-Grepl spannte einen weiten Bogen von Geschlechterrollen zu Zeiten Maria Theresias bis zur Neuzeit, von Geschlechterkonstruktionen in Kirche und Gesellschaft und dem Zusammenhang zwischen dieser kirchlichen Geschlechterkonstruktion, dem anbrechenden Reich Gottes und den Menschenrechten. Veränderungen werden nicht von heute auf morgen passieren, doch in der pastoralen Praxis gab es in den letzten 50 Jahren schon Aufbrüche, die nicht an das Geschlecht der handelnden Person gebunden waren. Die Forderung der Referentin ist, zu hinterfragen, wo unhaltbare Annahmen über Geschlecht dahinterstecken, um darauf angemessen reagieren zu können. Was jetzt männliche Praxis ist, lässt sich nicht immer eins zu eins auf Frauen übertragen, doch konnte sich zum Beispiel im Laienbereich der KommunionhelferInnen und LektorInnen eine geschlechtergerechte Praxis entwickeln, auf die nun auch im römischen Lehramt reagiert wurde.
„Geschlechtergerechtigkeit heißt in diesem Fall die Würdigung und Anerkennung von personalen Charismen unabhängig vom Geschlecht und deren Einsatz in zugesprochenen, beauftragten und institutionalisierten Diensten und Ämtern.“
Für eine Kirche in der Welt, die positiv gestaltend und als Vorbild vorausgehen kann, braucht es innerkirchliche Reformen, für die sich Mag.a Angelika Ritter-Grepl und mit ihr zahlreiche andere Frauen (und auch Männer) weiter einsetzen werden. Wie schon im letzten fss-aktuellvon Forum St. Severin Vorstandsmitglied, Gudrun Becker, so treffend formuliert wurde: „Die Fragen nach der (strukturell) gleichen Partizipationsmöglichkeit von Frauen und Männern stellen einen bleibenden Stachel im Fleisch unserer Kirche dar: schmerzhaft, beunruhigend, spaltend, in-Bewegung-setzend, fokussierend, in-Frage-stellend.“
Der gesamte Vortrag von Mag.a Ritter-Grepl kann auf facebook nachgesehen werden.
Text: Sarah Emberger
Bericht der kathpress, 19.1.2021:
Kfbö-Vorsitzende: Kirche braucht mehr Geschlechtergerechtigkeit
Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Ritter-Grepl sieht bei Vortrag an Linzer Severin-Akademie positiven Schritt durch jüngste Änderung des Kirchenrechts, durch die auch Laienchristinnen Lektorin und Akolythin werden können - Nun auch Weiheämter öffnen
Wien, 19.01.2021 (KAP) Geschlechtergerechtigkeit ist ein Schlüsselbegriff, wenn die Kirche ihrem Auftrag nachkommen will, das in Christus verheißene Heil je neu erfahrbar zu machen: Darauf hat die Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreich (kfbö), Angelika Ritter-Grepl, am Montagabend in einem Online-Vortrag im Rahmen der Linzer Severin-Akademie 2021 hingewiesen. Sie ortete eine positive Entwicklung durch die jüngste Änderung des Kirchenrechts, die Laienchristinnen und -christen hinsichtlich des Dienstes als Lektor/in und Akolyth/in gleichstellt und forderte dazu auf, weitere strukturelle Änderungen zu setzen. Doch noch hänge die Kirche alten, wissenschaftlich widerlegten Geschlechterstereotypen nach und stütze damit eine auch gesellschaftliche Diskriminierung von Frauen, so Ritter-Grepl.
Dabei bekenne sich die katholische Kirche wiederholt und klar zur grundsätzlichen Gleichberechtigung von Frauen und Männern und beklage die Diskriminierung der Frauen in Würde und Recht, erklärte die kfbö-Vorsitzende. Zentrale Forderungen des Feminismus seien über die kirchlichen Frauenbewegungen und die feministische Theologie "auch in der Kirche angekommen". Die Einsicht, "dass die sozialen, ökologischen und ökonomischen Fragen der Welt untrennbar mit der strukturellen Benachteiligung von Frauen zusammenhängen", spiegelt sich laut Ritter-Grepl auch in der Formulierung von Papst Franziskus in seiner Enzyklika "Laudato si", wo er mit Blick auf Wirtschaft, Ökologie und Armut festhielt: "Alles hängt mit allem zusammen."
Ritter-Grepl ist Absolventin eines Studiums der kritischen Geschlechter- und Sozialforschung an der Uni Innsbruck und bezeichnet sich selbst als "katholische, fromme Feministin". Die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche in der Geschlechterfrage leide durch die strukturelle Benachteiligung von Frauen im eigenen Bereich, sagte die kfbö-Vorsitzende. Sie beklagte das lehramtliche Festhalten an überkommenen, wissenschaftlich unhaltbaren Rollenzuschreibungen und Aufgabenverteilungen: "Nur Männern steht grundsätzlich der Zugang zu allen Rechten und Funktionen der Kirche offen."
Als positives Signal wertete Ritter-Grepl vor diesem Hintergrund das Motu propio vom 10. Jänner, mit dem der Papst von Laienchristen übernommene liturgische Aufgaben auch für Frauen öffnete. Dieser Schritt sei "nicht hoch genug einzuschätzen", so die Vortragende. "Das erste Mal folgt die Kirche der Denk-Figur: Gleiche Würde begründet gleiche Rechte!" Eine Ordnung nach Geschlecht sei nun im Bereich der Laien obsolet, und die Taufe, nicht das Geschlecht bilde die Grundlage für die Ausübung des Dienstes.
Auswirkung auch auf Weiheämter
"Auf die Dauer wird sich das auf die Begründungszusammenhänge im Bereich Weiheämter auswirken", prognostizierte Ritter-Grepl eine Änderung auch bei den Zugangsbestimmungen zum Priestertum und Diakonat. Insgesamt verbleibe die Kirche jedoch in einer Haltung der "Bewahrung von traditionellen Geschlechterverhältnissen, die Frauen diskriminieren". Dabei übersehe sie ihre Verantwortung, "wie sie durch die eigene Struktur die furchtbaren Auswirkungen von patriarchalen Geschlechterordnungen auf die Frauen stützt", kritisierte die kfbö-Vorsitzende.
Solange die Kirche an dieser soziologischen Gestalt festhält, müsse sie sich die Frage gefallen lassen: Wie kann sie zur Geschlechtergerechtigkeit beitragen, wenn sie diese in der eigenen Struktur nicht lebt? Die Kirche stabilisiert laut Ritter-Grepl patriarchale Geschlechterverhältnisse, ja sie liefere "Patriarchatsverteidigern" sogar eine Legitimation für deren Agitation.
Die Offenheit unter den Gläubigen für einen Kurswechsel in Richtung umfassende Geschlechtergerechtigkeit wäre nach Überzeugung der kfbö-Vorsitzenden gegeben: "Frauen mit priesterlichen Aufgaben sind akzeptiert. In der pastoralen Praxis gibt es bemerkenswerte Aufbrüche, die nicht an das Geschlecht der handelnden Personen gebunden sind." Papst Franziskus wolle Frauen besser in die kirchlichen Leitungsämter einbinden und fordere dazu auf, erinnerte Ritter-Grepl. "Was uns darum nicht erspart bleibt, ist die Notwendigkeit der Bearbeitung der Ämterfrage und der Weihefrage, weil Leitung mit der Weihe verknüpft ist." Sie sei "dankbar für jeden Diözesanbischof, der in einen fruchtbaren Streit einsteigt und dann die entwickelte Praxis nach Rom trägt und dort Veränderungen einmahnt", hielt die kfbö-Vorsitzende mit Blick auf den heuer noch anstehenden Ad-limina-Besuch der österreichischen Bischöfe in Rom fest.
Weiterer Bericht zur Veranstaltung:
https://religion.orf.at/stories/3204180/